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A Book of Moves
Songbook
Biographie Moniek Darge
Biographie Godfried-Willem Raes
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Godfried-Willem Raes

„A Book of Moves"

Eine Sammlung musikalischer Kompositionen für einen Bewegungs-Solisten und ein unsichtbares Instrument, das vom Autor entwickelte „Holosound"-System

Musiktheater-Realisierung:

Performer: Das Logos-Duo mit Moniek Darge und Godfried-Willem Raes

Lichteffekte: Kristof LAUWERS

Einführung:

Meine Forschungen und Experimente zum musikalischen Einsatz von Radar- und Sonarsystemen gehen auf die frühen siebziger Jahre zurück, als ich begann, meine ersten Bewegungs-Klang-Wandler zu bauen. Auf dem Flohmarkt war mir ein Büchlein über industrielle und militärische Anwendungen des Ultraschalls aus dem Jahr 1952 (meinem Geburtsjahr) in die Hände gefallen, das mich sofort zu einer Fülle von Ideen für musikalische Anwendungen anregte. Deren Realisierung stellte mich jedoch vor beträchtliche Probleme, da auf dem Elektronikmarkt keine geeigneten Standardkomponenten erhältlich waren, so daß ich so grundlegende Elemente wie Wandler und Mikrofone selbst konstruieren mußte. Erst mit dem Aufkommen integrierter Schaltkreise konnte ich daran denken, brauchbare Geräte zu bauen. Meine erste Anlage, die Ultraschall verwendete, entwickelte ich zwischen 1972 und 1982. Unsere erste Echtzeit-Performance, die das Logos-Duo (bestehend aus Moniek Darge und mir selbst) unter Einsatz dieser Technik aufführte, war „Holosound" (1983). Dieses schauspielerisch betonte Stück, mit dem wir ein Jahrzehnt lang auf Tournee gingen, brachte es auf über 200 Aufführungen auf der ganzen Welt. Von der Holosound-Anlage, die ich für dieses Stück gebaut habe, sind mehr als sechs völlig verschiedene und jedes Mal verbesserte Ausführungen entstanden. Diese Anlage konnte dreidimensionale Körperbewegungen in entsprechendes Klangmaterial umsetzen, so daß eine Art „Klanghologramme" entstanden; daher der Name „Holosund".

Meine Arbeit an der zugrundeliegenden Technik kam jedoch mit diesem ersten Erfolg nicht an ihr Ende. 1988, anläßlich der internationalen Computermusik-Konferenz in Köln (Deutschland), stellte ich meine erste MIDI-kompatible Fassung der Holosound-Anlage vor, mit der Musiker dreidimensionale Körperbewegungen als drahtlosen Mehrkanal-MIDI-Controller einsetzen konnten.

Nach einer weiteren Periode umfangreicher Forschungen begann ich im April 1992 mit dem Projekt „A Book of Moves", einer abendfüllenden Multimedia-Produktion, die mit einer eigens dafür entwickelten Version der Hard- und Software meiner Sonartechnik arbeitet. Dieses Projekt war, zusammen mit verwandten Themen, Bestandteil meiner Dissertation, die ich an der Ghent State University unter dem Titel „Ein unsichtbares Instrument" vorlegte. Die erste Fassung des „Book of Moves" wurde durch die Unterstützung von Evos und Pica am 24. Juli 1992 in Perth (Australien) uraufgeführt. In den folgenden Wochen erlebte das Stück weitere Aufführungen in Melbourne, Tokio, Miyosho (Shikoku, Japan), Shanghai, Peking, Oud Heverlee, Ghent (Flandern), Amsterdam, Bonn und NewYork.

Hinter diesem Stück stand die kompositorische Idee, eine Reihe von sehr verschiedenen unsichtbaren Musikinstrumenten zu erzeugen. Bei jedem Instrument sollten bestimmte Bewegungen entsprechende musikalische Parameter steuern. Die „einfachste" dieser „Abbildungen" von Bewegungs- auf Musikparameter wurde folgendermaßen realisiert: die Lautstärke wurde durch den Betrag der Körperbewegung gesteuert, die Tonhöhe durch die Geschwindigkeit der Bewegung und die Klangfarbe durch deren Beschleunigung oder Verzögerung. Da das System dreidimensional arbeitet, wurden diese Parameter dazu verwendet, drei verschiedene Stimmen unabhängig voneinander zu beeinflussen.

Diese einfache Abbildung funktioniert und liegt den Stücken „Call" und „Solo" (die in „A Book of Moves" enthalten sind) zugrunde, doch führen ausgefeiltere Algorithmen in den meisten anderen Stücken dieses Projekts zu viel interessanteren musikalischen Ergebnissen.

Im Stück „Topoi" steuern die Wandler ein einfaches neuronales Netz, welches versucht, Beziehungen zwischen „harmonischen" Akkorden und den Ergebnissen einer topologischen Analyse der Bewegungen des Performers zu finden. In „Beat" bearbeitet der Performer eine riesige unsichtbare Schlagzeugbatterie; alle Instrumente sind im Raum aufgestellt, so daß die Abbildung Beschleunigung in Dynamik umsetzt. In „Lead" schließlich dirigiert der Performer ein volles virtuelles Orchester.

Bestandteile des „Book of Moves":

1. Kapitel (Performer: Moniek Darge):

Open: Eine Ouvertüre, bestehend aus einem einzigen achttönigen Akkord, der laufend wiederholt wird. Die Bewegung schaltet den Klang stufenweise ab und organisiert seine räumliche Verteilung.

Call: Stellt das unsichtbare Instrument durch stufenweisen Aufbau seiner Funktion vor.

Topoi: Eine Komposition, in der Ortsberechnungen in harmonische Akkordfolgen umgesetzt werden. Das tonale Zentrum dieses Stückes fällt mit dem Mittelpunkt eines Tetraeders (einer dreiseitigen Pyramide) zusammen; je weiter die Bewegung von diesem Mittelpunkt wegführt, umso weiter sind auch die Akkorde vom tonalen Zentrum entfernt.

Rising: Eine langsam aufwärtsführende, bewegungsgesteuerte Akkordfolge.

Spooky: Ein geheimnisvolles Stück.

2. Kapitel (Performer: Godfried-Willem Raes)

Minor: Ein unsichtbares Saiteninstrument in Moll.

Drum Beat: Abwechselnd werden eine einfache bewegungsgesteuerte Trommel und eine riesige Schlagzeugbatterie gespielt; letztere erfordert karateähnliche Bewegungen des Performers.

Sforte: Eine zentripetale Komposition mit einem starken tonalen Zentrum.

Lead: Ein großes Symphonieorchester, das vom Performer dirigiert wird. Die achtstimmige Harmonie und die Instrumentation hängen von den Bewegungen ab.

3. Kapitel (Moniek Darge):

Canvas: Verwendet natürliche Klänge und „primitives" musikalisches Material

Rec-Play: Zeichnet eine Bewegungsfolge auf und gibt sie anschließend als Musik wieder.

Solo/Tance: Zwei Stücke für ein Soloinstrument (eine Nej-Flöte), die abwechselnd gespielt werden. Im „Tance"-Teil wird das Soloinstrument von einer kleinen vierstimmigen Band begleitet.

Prime Time: Ein Schlagzeugstück, das auf Primzahlen basiert.

4. Kapitel (Godfried-Willem Raes):

Tempi: Hier steuert die Bewegung das Tempo und das musikalische Material, das von drei Stimmen gespielt wird.

Edges: Bei jeder Umkehrung eines Bewegungsparameters (z.B. Beschleunigung/Verzögerung) werden musikalische Ereignisse ausgelöst.

Stresso: Dieser Titel ist aus den Wörtern „stretto" (Engführung in der Fuge) und „stress" zusammengesetzt. Das Stück ist eine 16-stimmige Engführung.

Hammers: Eine Art Hackbrett

5. Kapitel (Moniek Darge):

Lock/Unlock: Zwei Schlagzeugstücke

Close: Finale; eine abwärtsgehende Akkordfolge, die in einem Unisono endet.

Technische Anmerkungen:

Obwohl es so aussieht, als ob das Stück viel mit Tanz zu tun hätte, ist es nicht als Tanzstück konzipiert und kann auch kaum als solches eingesetzt werden. Erstens ist es ein wirkliches Musikinstrument und sollte auch so gespielt werden. Beispielsweise führen Bewegungen, die zu „elegant" sind, keineswegs zu musikalisch interessanten Ergebnissen. Zweitens sind Tänzer dazu ausgebildet, einer vorgegebenen Musik zu folgen, während es hier genau umgekehrt ist: die Bewegung hat nicht den Zweck, beim Zuschauer visuelle Eindrücke zu hinterlassen, sondern dient der Produktion von Klängen und ist dementsprechend auszuführen.

Das Holosound-System kann auf keinen Fall als bewegungsgesteuerter Sequencer aufgefaßt werden, da vor der Aufführung des Stückes keine einzige Klangstruktur als Hard- oder Software existiert. Die Algorithmen, die in den Speichern des Systems vorliegen, sind lediglich für die musikalische Syntax der einzelnen Teile des „Book of Moves" zuständig. Das Stück ist eine algorithmische Echtzeit-Komposition, die ausschließlich durch den Performer gesteuert wird.

Dr. Godfried-Willem Raes

Buffalo, Oktober 1993

Übersetzung (gekürzt): Norbert Hoffmann

 MP3 fragment aus 'A Book of Moves'


Godfried-Willem Raes

„Songbook"

Ausführende: das Logos-Duo (Moniek Darge und Godfried-Willem Raes)

Kostume: Carla Bracke

Wie der Titel andeutet, ist dieses Werk ein Buch von „Songs". Allerdings bezieht sich hier das Wort „Song" nicht auf die klassische oder populäre Gesangstradition; vielmehr handelt es sich um eine Sammlung abstrakter, aber suggestiver Klangpoesie.

Songbook beginnt mit einem einführenden Kommentar zum Werk selbst (INTRO). Allmählich wird die natürliche Sprechstimme stufenweise verfremdet, und sobald der Komponist selbst damit beginnt, einen übertrieben wissenschaftlichen Vortrag über das Werk zu geben (RETOR), verwandelt die unsichtbare Anlage seine Rede in ein "Gebrabbel". Daher macht er aus der Not eine Tugend und geht immer mehr zu einer Singstimme über, die nun einer Tonhöhenveränderung unterworfen wird (PITCHING), zunächst begleitet von langen lyrischen Synthesizer-Tönen, später von einem vollständigen Chor (CHOIR). Am Schluß des ersten Kapitels wird auch das Timbre der Stimme durch die Körperbewegungen beeinflußt (EO's).

Im nächsten Kapitel erzählt Ihnen Moniek Darge ein imaginäres Märchen (STORY), das aus abstrakten Klängen, abstrakten Bewegungen und abstrakter Mimik besteht und Ihnen völlige Freiheit der Interpretation läßt. Schießt ein Vogel wie eine Rakete durch die Luft, oder schlurft ein Monster unter Ihrem Bett herum?. Sobald ihr die Stimme plötzlich in der Kehle „steckenbleibt" (DELTA-t), erzeugen Armbewegungen ein Echo, das, umgewandelt in ein bizarres Akkordkonglomerat, einen seltsamen Gesang begleitet. Im folgenden Teil beherbergt jeder Punkt des Spielfeldes unterschiedliche Klänge (ARP): ein unerschöpfliches Spiel von Widerhall, Vibrato und Stimmverdopplungen. Nun schrumpft der Raum auf die Größe eines beengendes Eies zusammen, dann wächst er zu einer überwältigenden, mitschwingenden Kathedrale heran (VERBS). All das hängt von den Bewegungen der Performer ab.

Es folgen lokalisierte Akkorde, welche die Stimme von Godfried-Willem begleiten (HARMS), und ein trance-erzeugender Schamanentanz mit seinen zwanghaften Rhythmen und Wiederholungen (SHAMAAN). Plötzlich taucht Poseidon auf, umgeben von untermeerischen Klängen und explodierenden Luftblasen (GURGLE). Das Wasser spritzt und sprüht. Der Computer antwortet sogar mit Pfeifen (SPECTIM). Aber am Ende kehrt erhabene Ruhe zurück (LINK). Beide Performer beeinflussen sich gegenseitig auf dem Umweg über die Maschine durch ihre Stimmen, während andererseits die Bewegungen auch die Klänge verändern. Ein magisches Spiel harmonisch vermischter Stimmen sinkt zu perfekter Einheit herab.

Moniek Darge

Übersetzung (gekürzt): Norbert Hoffmann

Songbook

nützt, wie schon unsere frühere Produktion, „A Book of Moves", ein Sonarsystem, das von Godfried-Willem Raes erfunden und gebaut wurde. Drei Wandler befinden sich am Boden, ein vierter ist über der Mitte des Performance-Bereichs aufgehängt. Einer sendet Ultraschallwellen aus, die von den drei anderen empfangen und zu einer Reihe analoger und digitaler Computer übertragen werden. Wenn sich der Performer zwischen dem Sender und den Empfängern bewegt, wird die Ultraschallwelle mit einer Frequenz reflektiert, die sich von der ursprünglichen Frequenz unterscheidet. Die Differenz dieser beiden Frenquenzen liefert wesentliche Informationen über die Bewegung. Daher können Geschwindigkeit, Beschleunigung und Position von den Computern in musikalische Parameter übersetzt werden.

Während der Aufführung von Songbook tragen beide Performer drahtlose Mikrophone. Dadurch können sie ohne physische Verbindung mit der Apparatur ihre Stimmen durch Körperbewegungen verändern. Das ergibt natürlich eine faszinierende und für den Laien magisch und gespenstisch wirkende Darstellung.


Übersetzungen: Norbert Hoffmann


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Last Updated: 2007-09-07 by Godfried-Willem Raes