Der Tragödie zweiter Teil faust So sehr auch Bildner auf ihn pochen, So herrlich kam er nie zur Schau. Vom schönsten Mann hast du gesprochen, Nun sprich auch von der schönsten Frau! chiron Was! . . . Frauenschönheit will nichts heißen, Ist gar zu oft ein starres Bild; Nur solch ein Wesen kann ich preisen, Das froh und lebenslustig quillt. Die Schöne bleibt sich selber selig; Die Anmut macht unwiderstehlich, Wie Helena, da ich sie trug. faust Du trugst sie? + chiron Ja, auf diesem Rücken. faust Bin ich nicht schon verwirrt genug? Und solch ein Sitz muß mich beglücken! chiron Sie faßte so mich in das Haar, Wie du es tust. + faust O ganz und gar Verlier' ich mich! Erzähle, wie? Sie ist mein einziges Begehren! Woher, wohin, ach, trugst du sie? chiron Die Frage läßt sich leicht gewähren. Die Dioskuren hatten jener Zeit Das Schwesterchen aus Räuberfaust befreit. Doch diese, nicht gewohnt, besiegt zu sein, Ermannten sich urd stürmten hintendrein. Da hielten der Geschwister eiligen Lauf Die Sümpfe bei Eleusis auf; Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber; Da sprang sie ab und streichelte Die feuchte Mähne, schmeichelte Und dankte lieblich-klug und selbstbewußt. Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust! faust Erst zehen Jahr! . . . + chiron Ich seh', die Philologen, Sie haben dich so wie sich selbst betrogen. Ganz eigen ist's mit mythologischer Frau, Der Dichter bringt sie, wie er's braucht, zur Schau: Nie wird sie mündig, wird nicht alt, Stets appetitlicher Gestalt, Wird jung entführt, im Alter noch umfreit; Gnug, den Poeten bindet keine Zeit. faust So sei auch sie durch keine Zeit gebunden! Hat doch Achill auf Pherä sie gefunden, Selbst außer aller Zeit. Welch seltnes Glück: Errungen Liebe gegen das Geschick! Und sollt' ich nicht, sehnsüchtigster Gewalt, Ins Leben ziehn die einzigste Gestalt? Das ewige Wesen, Göttern ebenbürtig, So groß als zart, so hehr als liebenswürdig? Du sahst sie einst; heut hab' ich sie gesehn, So schön wie reizend, wie ersehnt so schön. Nun ist mein Sinn, mein Wesen streng umfangen; Ich lebe nicht, kann ich sie nicht erlangen. chiron Mein fremder Mann! als Mensch bist du entzückt; Doch unter Geistern scheinst du wohl verrückt. Nun trifft sich's hier zu deinem Glücke; Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke, Pfleg' ich bei Manto vorzutreten, Der Tochter äskulaps; im stillen Beten Fleht sie zum Vater, daß, zu seiner Ehre, Er endlich doch der ärzte Sinn verkläre Und vom verwegnen Totschlag sie bekehre . . . Die liebste mir aus der Sibyllengilde, Nicht fratzenhaft bewegt, wohltätig milde; Ihr glückt es wohl, bei einigem Verweilen, Mit Wurzelkräften dich von Grund zu heilen. faust Geheilt will ich nicht sein, mein Sinn ist mächtig; Da wär' ich ja wie andre niederträchtig. chiron Versäume nicht das Heil der edlen Quelle! Geschwind herab! Wir sind zur Stelle. faust Sag an! Wohin hast du, in grauser Nacht, Durch Kiesgewässer mich ans Land gebracht? chiron Hier trotzten Rom und Griechenland im Streite, Peneios rechts, links den Olymp zur Seite, Das größte Reich, das sich im Sand verliert; Der König flieht, der Bürger triumphiert. Blick auf! hier steht, bedeutend nah, Im Mondenschein der ewige Tempel da. manto Von Pferdes Hufe Erklingt die heilige Stufe, Halbgötter treten heran. chiron Ganz recht! Nur die Augen aufgetan! manto Willkommen! ich seh', du bleibst nicht aus. chiron Steht dir doch auch dein Tempelhaus! manto Streiftst du noch immer unermüdet? chiron Wohnst du doch immer still umfriedet, Indes zu kreisen mich erfreut. manto Ich harre, mich umkreist die Zeit. Und dieser? + chiron Die verrufene Nacht Hat strudelnd ihn hierher gebracht. Helenen, mit verrückten Sinnen, Helenen will er sich gewinnen Und weiß nicht, wie und wo beginnen; Asklepischer Kur vor andern wert. manto Den lieb' ich, der Unmögliches begehrt. manto Tritt ein, Verwegner, sollst dich freuen! Der dunkle Gang führt zu Persephoneien. In des Olympus hohlem Fuß Lauscht sie geheim verbotnem Gruß. Hier hab' ich einst den Orpheus eingeschwärzt; Benutz es besser! frisch! beherzt! Am obern Peneios