Der Tragödie zweiter Teil faust Wohin der Weg? + mephistopheles Kein Weg! Ins Unbetretene, Nicht zu Betretende; ein Weg ans Unerbetene, Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? - Nicht Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben, Von Einsamkeiten wirst umhergetrieben. Hast du Begriff von öd' und Einsamkeit? faust Du spartest, dächt' ich, solche Sprüche; Hier wittert's nach der Hexenküche, Nach einer längst vergangnen Zeit. Mußt' ich nicht mit der Welt verkehren? Das Leere lernen, Leeres lehren? - Sprach ich vernünftig, wie ich's angeschaut, Erklang der Widerspruch gedoppelt laut; Mußt' ich sogar vor widerwärtigen Streichen Zur Einsamkeit, zur Wildernis entweichen Und, um nicht ganz versäumt, allein zu leben, Mich doch zuletzt dem Teufel übergeben. mephistopheles Und hättest du den Ozean durchschwommen, Das Grenzenlose dort geschaut, So sähst du dort doch Well' auf Welle kommen, Selbst wenn es dir vorm Untergange graut. Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne Gestillter Meere streichende Delphine; Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne - Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne, Den Schritt nicht hören, den du tust, Nichts Festes finden, wo du ruhst. faust Du sprichst als erster aller Mystagogen, Die treue Neophyten je betrogen; Nur umgekehrt. Du sendest mich ins Leere, Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre; Behandelst mich, daß ich, wie jene Katze, Dir die Kastanien aus den Gluten kratze. Nur immer zu! wir wollen es ergründen, In deinem Nichts hoff' ich das All zu finden. mephistopheles Ich rühme dich, eh' du dich von mir trennst, Und sehe wohl, daß du den Teufel kennst; Hier diesen Schlüssel nimm. + faust Das kleine Ding! mephistopheles Erst faß ihn an und schätz ihn nicht gering. faust Er wächst in meiner Hand! er leuchtet, blitzt! mephistopheles Merkst du nun bald, was man an ihm besitzt? Der Schlüssel wird die rechte Stelle wittern, Folg ihm hinab, er führt dich zu den Müttern. faust Den Müttern! Trifft's mich immer wie ein Schlag! Was ist das Wort, das ich nicht hören mag? mephistopheles Bist du beschränkt, daß neues Wort dich stört? Willst du nur hören, was du schon gehört? Dich störe nichts, wie es auch weiter klinge, Schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge. faust Doch im Erstarren such' ich nicht mein Heil, Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil; Wie auch die Welt ihm das Gefühl verteure, Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure. mephistopheles Versinke denn! Ich könnt' auch sagen: steige! 's ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen In der Gebilde losgebundne Reiche! Ergetze dich am längst nicht mehr Vorhandnen; Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe, Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe! faust Wohl! fest ihn fassend fühl' ich neue Stärke, Die Brust erweitert, hin zum großen Werke. mephistopheles Ein glühnder Dreifuß tut dir endlich kund, Du seist im tiefsten, allertiefsten Grund. Bei seinem Schein wirst du die Mütter sehn, Die einen sitzen, andre stehn und gehn, Wie's eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung, Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung. Umschwebt von Bildern aller Kreatur; Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur. Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß, Und gehe grad' auf jenen Dreifuß los, Berühr ihn mit dem Schlüssel! + mephistopheles So ist's recht! Er schließt sich an, er folgt als treuer Knecht; Gelassen steigst du, dich erhebt das Glück, Und eh' sie's merken, bist mit ihm zurück. Und hast du ihn einmal hierher gebracht, So rufst du Held und Heldin aus der Nacht, Der erste, der sich jener Tat erdreistet; Sie ist getan, und du hast es geleistet. Dann muß fortan, nach magischem Behandeln, Der Weihrauchsnebel sich in Götter wandeln. faust Und nun was jetzt? + mephistopheles Dein Wesen strebe nieder; Versinke stampfend, stampfend steigst du wieder. mephistopheles Wenn ihm der Schlüssel nur zum besten frommt! Neugierig bin ich, ob er wiederkommt. Hell erleuchtete Säle kämmerer [Ihr seid uns noch die Geisterszene schuldig; Macht Euch daran! der Herr ist ungeduldig. marschalk Soeben fragt der Gnädigste darnach; [Ihr! zaudert nicht der Majestät zur Schmach. mephistopheles Ist mein Kumpan doch deshalb weggegangen; Er weiß schon, wie es anzufangen, Und laboriert verschlossen still, Muß ganz besonders sich befleißen; Denn wer den Schatz, das Schöne, heben will, Bedarf der höchsten Kunst, Magie der Weisen. marschalk Was ihr für Künste braucht, ist einerlei: Der Kaiser will, daß alles fertig sei.