Der Tragödie zweiter Teil helena Ein altes Wort bewährt sich leider auch an mir: Daß Glück und Schönheit dauerhaft sich nicht vereint. Zerrissen ist des Lebens wie der Liebe Band; Bejammernd beide, sag' ich schmerzlich Lebewohl Und werfe mich noch einmal in die Arme dir. Persephoneia, nimm den Knaben auf und mich! phorkyas Halte fest, was dir von allem übrigblieb. Das Kleid, laß es nicht los. Da zupfen schon Dämonen an den Zipfeln, möchten gern Zur Unterwelt es reißen. Halte fest! Die Göttin ist's nicht mehr, die du verlorst, Doch göttlich ist's. Bediene dich der hohen, Unschätzbaren Gunst und hebe dich empor: Es trägt dich über alles Gemeine rasch Am äther hin, so lange du dauern kannst. Wir sehn uns wieder, weit, gar weit von hier. phorkyas Noch immer glücklich aufgefunden! Die Flamme freilich ist verschwunden, Doch ist mir um die Welt nicht leid. Hier bleibt genug, Poeten einzuweihen, Zu stiften Gild- und Handwerksneid; Und kann ich die Talente nicht verleihen, Verborg' ich wenigstens das Kleid. panthalis Nun eilig, Mädchen! Sind wir doch den Zauber los, Der alt-thessalischen Vettel wüsten Geisteszwang, So des Geklimpers vielverworrner Töne Rausch, Das Ohr verwirrend, schlimmer noch den innern Sinn. Hinab zum Hades! Eilte doch die Königin Mit ernstem Gang hinunter. Ihrer Sohle sei Unmittelbar getreuer Mägde Schritt gefügt. Wir finden sie am Throne der Unerforschlichen. chor Königinnen freilich, überall sind sie gern; Auch im Hades stehen sie obenan, Stolz zu ihresgleichen gesellt, Mit Persephonen innigst vertraut; Aber wir im Hintergrunde Tiefer Asphodelos-Wiesen, Langgestreckten Pappeln, Unfruchtbaren Weiden zugesellt, Welchen Zeitvertreib haben wir? Fledermausgleich zu piepsen, Geflüster, unerfreulich, gespenstig. panthalis Wer keinen Namen sich erwarb noch Edles will, Gehört den Elementen an; so fahret hin! Mit meiner Königin zu sein, verlangt mich heiß; Nicht nur Verdienst, auch Treue wahrt uns die Person. alle Zurückgegeben sind wir dem Tageslicht, Zwar Personen nicht mehr, Das fühlen, das wissen wir, Aber zum Hades kehren wir nimmer. Ewig lebendige Natur Macht auf uns Geister, Wir auf sie vollgültigen Anspruch. ein teil des chores Wir in dieser tausend äste Flüsterzittern, Säuselschweben Reizen tändelnd, locken leise wurzelauf des Lebens Quellen Nach den Zweigen; bald mit Blättern, bald mit Blüten überschwenglich Zieren wir die Flatterhaare frei zu luftigem Gedeihn. Fällt die Frucht, sogleich versammeln lebenslustig Volk und Herden Sich zum Greifen, sich zum Naschen, eilig kommend, emsig drängend; Und wie vor den ersten Göttern bückt sich alles um uns her. ein andrer teil Wir, an dieser Felsenwände weithinleuchtend glatten Spiegel Schmiegen wir, in sanften Wellen uns bewegend, schmeichelnd an; Horchen, lauschen jedem Laute, Vogelsängen, Röhrigflöten, Sei es Pans furchtbarer Stimme, Antwort ist sogleich bereit; Säuselt's, säuseln wir erwidernd, donnert's, rollen unsre Donner In erschütterndem Verdoppeln, dreifach, zehnfach hintennach. ein dritter teil Schwestern! Wir, bewegtern Sinnes, eilen mit den Bächen weiter; Denn es reizen jener Ferne reichgeschmückte Hügelzüge. Immer abwärts, immer tiefer wässern wir, mäandrisch wallend, Jetzt die Wiese, dann die Matten, gleich den Garten um das Haus. Dort bezeichnen's der Zypressen schlanke Wipfel, über Landschaft, Uferzug und Wellenspiegel nach dem äther steigende. ein vierter teil Wallt ihr andern, wo's beliebet; wir umzingeln, wir umrauschen Den durchaus bepflanzten Hügel, wo am Stab die Rebe grünt; Dort zu aller Tage Stunden läßt die Leidenschaft des Winzers Uns des liebevollsten Fleißes zweifelhaft Gelingen sehn. Bald mit Hacke, bald mit Spaten, bald mit Häufeln, Schneiden, Binden Betet er zu allen Göttern, fördersamst zum Sonnengott. Bacchus kümmert sich, der Weichling, wenig um den treuen Diener, Ruht in Lauben, lehnt in Höhlen, faselnd mit dem jüngsten Faun. Was zu seiner Träumereien halbem Rausch er je bedurfte, Immer bleibt es ihm in Schläuchen, ihm in Krügen und Gefäßen, Rechts und links der kühlen Grüfte, ewige Zeiten aufbewahrt. Haben aber alle Götter, hat nun Helios vor allen, Lüftend, feuchtend, wärmend, glutend, Beeren-Füllhorn aufgehäuft, Wo der stille Winzer wirkte, dort auf einmal wird's lebendig, Und es rauscht in jedem Laube, raschelt um von Stock zu Stock. Körbe knarren, Eimer klappern, Tragebutten ächzen hin, Alles nach der großen Kufe zu der Keltrer kräft'gem Tanz; Und so wird die heilige Fülle reingeborner saftiger Beeren Frech zertreten, schäumend, sprühend mischt sich's, widerlich zerquetscht. Und nun gellt ins Ohr der Zimbeln mit der Becken Erzgetöne, Denn es hat sich Dionysos aus Mysterien enthüllt; Kommt hervor mit Ziegenfüßlern, schwenkend Ziegenfüßlerinnen, Und dazwischen schreit unbändig grell Silenus' öhrig Tier. Nichts geschont! Gespaltne Klauen treten alle Sitte nieder, Alle Sinne wirbeln taumlich, gräßlich übertäubt das Ohr. Nach der Schale tappen Trunkne, überfüllt sind Kopf und Wänste, Sorglich ist noch ein und andrer, doch vermehrt er die Tumulte, Denn um neuen Most zu bergen, leert man rasch den alten Schlauch! 4. Akt Hochgebirg faust Der Einsamkeiten tiefste schauend unter meinem Fuß, Betret' ich wohlbedächtig dieser Gipfel Saum, Entlassend meiner Wolke Tragewerk, die mich sanft An klaren Tagen über Land und Meer geführt. Sie löst sich langsam, nicht zerstiebend, von mir ab. Nach Osten strebt die Masse mit geballtem Zug, Ihr strebt das Auge staunend in Bewundrung nach. Sie teilt sich wandelnd, wogenhaft, veränderlich. Doch will sich's modeln. - Ja! das Auge trügt mich nicht! - Auf sonnbeglänzten Pfühlen herrlich hingestreckt, Zwar riesenhaft, ein göttergleiches Fraungebild, Ich seh's! Junonen ähnlich, Leda'n, Helenen, Wie majestätisch lieblich mir's im Auge schwankt. Ach! schon verrückt sich's! Formlos breit und aufgetürmt Ruht es in Osten, fernen Eisgebirgen gleich, Und spiegelt blendend flücht'ger Tage großen Sinn. Doch mir umschwebt ein zarter lichter Nebelstreif Noch Brust und Stirn, erheiternd, kühl und schmeichelhaft. Nun steigt es leicht und zaudernd hoch und höher auf, Fügt sich zusammen. - Täuscht mich ein entzückend Bild, Als jugenderstes, längstentbehrtes höchstes Gut? Des tiefsten Herzens frühste Schätze quellen auf: Aurorens Liebe, leichten Schwung bezeichnet's mir, Den schnellempfundnen, ersten, kaum verstandnen Blick, Der, festgehalten, überglänzte jeden Schatz. Wie Seelenschönheit steigert sich die holde Form, Löst sich nicht auf, erhebt sich in den äther hin Und zieht das Beste meines Innern mit sich fort.