Der Tragödie zweiter Teil phorkyas Sie hatten Zeit, vielleicht an zwanzig Jahre sind's. helena Ist einer Herr? sind's Räuber viel, verbündete? phorkyas Nicht Räuber sind es, einer aber ist der Herr. Ich schelt' ihn nicht, und wenn er schon mich heimgesucht. Wohl konnt' er alles nehmen, doch begnügt' er sich Mit wenigen Freigeschenken, nannt' er's, nicht Tribut. helena Wie sieht er aus? + phorkyas Nicht übel! mir gefällt er schon. Es ist ein munterer, kecker, wohlgebildeter, Wie unter Griechen wenig', ein verständ'ger Mann. Man schilt das Volk Barbaren, doch ich dächte nicht, Daß grausam einer wäre, wie vor Ilios Gar mancher Held sich menschenfresserisch erwies. Ich acht' auf seine Großheit, ihm vertraut' ich mich. Und seine Burg! die solltet ihr mit Augen sehn! Das ist was anderes gegen plumpes Mauerwerk, Das eure Väter, mir nichts dir nichts, aufgewälzt, Zyklopisch wie Zyklopen, rohen Stein sogleich Auf rohe Steine stürzend; dort hingegen, dort Ist alles senk- und waagerecht und regelhaft. Von außen schaut sie! himmelan sie strebt empor, So starr, so wohl in Fugen, spiegelglatt wie Stahl. Zu klettern hier - ja selbst der Gedanke gleitet ab. Und innen großer Höfe Raumgelasse, rings Mit Baulichkeit umgeben, aller Art und Zweck. Da seht ihr Säulen, Säulchen, Bogen, Bögelchen, Altane, Galerien, zu schauen aus und ein, Und Wappen. + chor Was sind Wappen? + phorkyas Ajax führte ja Geschlungene Schlang' im Schilde, wie ihr selbst gesehn. Die Sieben dort vor Theben trugen Bildnerein Ein jeder auf seinem Schilde, reich bedeutungsvoll. Da sah man Mond und Stern' am nächtigen Himmelsraum, Auch Göttin, Held und Leiter, Schwerter, Fackeln auch, Und was Bedrängliches guten Städten grimmig droht. Ein solch Gebilde führt auch unsre Heldenschar Von seinen Ur-Urahnen her in Farbenglanz. Da seht ihr Löwen, Adler, Klau' und Schnabel auch, Dann Büffelhörner, Flügel, Rosen, Pfauenschweif, Auch Streifen, gold und schwarz und silbern, blau und rot. Dergleichen hängt in Sälen Reih' an Reihe fort. In Sälen, grenzenlosen, wie die Welt so weit; Da könnt ihr tanzen! + chor Sage, gibt's auch Tänzer da? phorkyas Die besten! goldgelockte, frische Bubenschar. Die duften Jugend! Paris duftete einzig so, Als er der Königin zu nahe kam. + helena Du fällst Ganz aus der Rolle; sage mir das letzte Wort! phorkyas Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich Ja! Sogleich umgeb' ich dich mit jener Burg. + chor O sprich Das kurze Wort und rette dich und uns zugleich! helena Wie? sollt' ich fürchten, daß der König Menelas So grausam sich verginge, mich zu schädigen? phorkyas Hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus, Des totgekämpften = paris Bruder, unerhört Verstümmelte, der starrsinnig Witwe dich erstritt Und glücklich kebste? Nas' und Ohren schnitt er ab Und stümmelte mehr so: Greuel war es anzuschaun. helena Das tat er jenem, meinetwegen tat er das. phorkyas Um jenes willen wird er dir das gleiche tun. Unteilbar ist die Schönheit; der sie ganz besaß, Zerstört sie lieber, fluchend jedem Teilbesitz. Wie scharf der Trompete Schmettern Ohr und Eingeweid' Zerreißend anfaßt, also krallt sich Eifersucht Im Busen fest des Mannes, der das nie vergißt, Was einst er besaß und nun verlor, nicht mehr besitzt. chor Hörst du nicht die Hörner schallen? siehst der Waffen Blitze nicht? phorkyas Sei willkommen, Herr und König, gerne geb' ich Rechenschaft. chor Aber wir? + phorkyas Ihr wißt es deutlich, seht vor Augen ihren Tod, Merkt den eurigen da drinne: nein, zu helfen ist euch nicht. helena Ich sann mir aus das Nächste, was ich wagen darf. Ein Widerdämon bist du, das empfind' ich wohl Und fürchte, Gutes wendest du zum Bösen um. Vor allem aber folgen will ich dir zur Burg; Das andre weiß ich; was die Königin dabei Im tiefen Busen geheimnisvoll verbergen mag, Sei jedem unzugänglich. Alte, geh voran! chor O wie gern gehen wir hin, Eilenden Fußes; Hinter uns Tod, Vor uns abermals Ragender Feste Unzugängliche Mauer. Schütze sie ebenso gut, Eben wie Ilios' Burg, Die doch endlich nur Niederträchtiger List erlag. Wie? aber wie? Schwestern, schaut euch um! Was es nicht heiterer Tag? Nebel schwanken streifig empor Aus Eurotas' heil'ger Flut; Schon entschwand das liebliche Schilfumkränzte Gestade dem Blick; Auch die frei, zierlich-stolz Sanfthingleitenden Schwäne In gesell'ger Schwimmlust Seh' ich, ach, nicht mehr! Doch, aber doch Tönen hör' ich sie, Tönen fern heiseren Ton! Tod verkündenden, sagen sie. Ach daß uns er nur nicht auch, Statt verheißener Rettung Heil, Untergang verkünde zuletzt; Uns, den Schwangleichen, Lang-+ Schön-Weißhalsigen,/ und ach! Unsrer Schwanerzeugten. Weh uns, weh, weh! Alles deckte sich schon Rings mit Nebel umher. Sehen wir doch einander nicht! Was geschieht? gehen wir? Schweben wir nur Trippelnden Schrittes am Boden hin? Siehst du nichts? Schwebt nicht etwa gar Hermes voran? Blinkt nicht der goldne Stab Heischend, gebietend uns wieder zurück Zu dem unerfreulichen, grautagenden, Ungreifbarer Gebilde vollen, überfüllten, ewig leeren Hades? Ja auf einmal wird es düster, ohne Glanz entschwebt der Nebel Dunkelgräulich, mauerbräunlich. Mauern stellen sich dem Blicke, Freiem Blicke starr entgegen. Ist's ein Hof? ist's tiefe Grube? Schauerlich in jedem Falle! Schwestern, ach! wir sind gefangen, So gefangen wie nur je. Innerer Burghof